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Jean-Luc Matte
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Josef Rezny (? - 2012)

Témoignage en allemand de Fritz Schneider
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Josef Rezny und Fritz Schneider in Strakonice (cliché J.L. Matte 1990)

Im Jahre 1967 lernte ich Josef Režný kennen. Mit meiner Frau und einem Freund wollte ich eine Tanz- und Musikgruppe in Budweis besuchen, um über einen geplanten Besuch ihrer Gruppe in Deutschland und dem entsprechenden Gegenbesuch eines Tanzkreises der Musischen Gesellschaft zu sprechen. Da die Budweiser Gruppe gerade an einem Dudelsack-Festival in Strakonice teilnahm, fuhren wir also dorthin und gerieten in einen Trubel von jungen Leuten aus verschiedenen Ländern, meist in bunten Trachten. Sie musizierten und sangen auf allen Plätzen. Wir brauchten lange, um uns zu den Budweisern durchzufragen. Schließlich fanden wir sie in der Kantine einer Fabrik. Ohne viel Gerede wurden wir zum Essen aufgefordert. Bevor die Mittagspause zu Ende ging, stellte man uns dem Organisator des Festivals, Josef Režný vor. Wir durften den Nachmittag als Gäste am Festival teilnehmen, saßen auf Gartenstühlen im Hof der großen Burg und erlebten das Dudelsackspiel von Gruppen und Solisten sehr unterschiedlicher Art. Die Budweiser Gruppe tanzte zu der typischen böhmischen Tanzmusik mit Dudelsack, Violine, Klarinette und Bass.

 

Zu einer näheren Begegnung mit Josef Režný kam es zwei Jahre später. Unsere Morris- und Schwerttanzgruppe war zu Gast in Budweis. Nach dem Ende des Gastspiels startete ich mit drei weiteren Mitgliedern unserer Gruppe zu einer Rundreise durch Böhmen. Das war eine Gelegenheit zu einem Besuch bei Josef in Strakonice. Unangemeldet suchte ich ihn zu Hause auf und kam natürlich zu einer unpassenden Gelegenheit. Aber es wurde schnell vereinbart, dass ich zusammen mit den Freunden ein Hotel am Ort beziehen und am nächsten Tag zu einem gemütlichen Kaffeetrinken wieder kommen sollte. Wir sprachen dann ausführlich über die Dudelsack-Festivals in Strakonice, in denen sich zunächst lediglich tschechoslowakische Musik- und Tanzgruppen getroffen hatten. Josef wollte sie in Zukunft jährlich durchführen und dazu verstärkt Gruppen aus dem Ausland einladen. Es wurde über die Möglichkeit von internationalen Verbindungen und den Austausch von Literatur nachgedacht. Auch die politische Lage kam zur Sprache, die sich ja seit 1967, als wir uns kennen lernten, für die Tschechen recht hoffnungslos geändert hatte. Josef sprach fließend deutsch; er hat unter seinen Vorfahren einige Deutsche. Kaffee und Gebäck wurden immer wieder nachgeliefert.

 

Josef organisierte mit Unterstützung des Fernsehens, des Staates und örtlicher Gruppen die internationalen Festivals, an denen ich seit 1977 fast jedes Mal teilnehmen durfte. Ich war immer wieder beeindruckt von der lebendigen Musik und den flotten Tänzen der teilnehmenden Gruppen. Bei den Konzerten war der Burghof in Strakonice vor allem von einheimischen Gästen voll besetzt, aber auch Schlachtenbummler aus dem Ausland waren unter den sachkundigen Zuhörern. Ich kann hier die Gruppen nicht aufzählen, die mit qualitätvollen Darbietungen auf der Bühne standen. Besonders in Erinnerung sind aber auch Solisten geblieben, wie zum Beispiel John Foster Charlton, der bei seinem ersten schüchternen Auftritt mit seinen Northumbrian Small Pipes zunächst ein ungläubiges Lächeln im Publikum hervorrief. Aber schon nach einigen Takten herrschte ein gespanntes Schweigen, als die sachkundigen Zuhörer der herrlichen Musik lauschten.

 

Da es für Josef schwer war, an Fachliteratur aus dem Westen zu gelangen, vereinbarten wir einen Austausch, der in der Folge die Bücherschränke von uns beiden auffüllte. Auch Fotos tauschten wir. So gelangte eine ganze Reihe meiner Fotos in die Ausstellung des Museums in der Strakonicer Burg, in dem Josef eine eigene Abteilung für den Dudelsack einrichtete. Aber auch Dinge, die mit dem Dudelsack gar nichts zu tun hatten, wurden von Josef und seiner Familie gern angenommen, wie Cornflakes. Im Gegenzug bekam ich unter anderem Schallplatten geschenkt.

 

Eine Sache, die Josef sehr am Herzen lag, waren die Symposien der Dudelsackfachleute. Schon 1978 bat er mich spontan, ganz ohne Vorbereitung im Hof des Museums in Volyne über die Geschichte des Dudelsack zu erzählen. Das war nicht so ganz leicht, da ich keine Bilder zeigen konnte. Während Josef jeden Satz einzeln ins Tschechische übersetzte, hatte ich Zeit, meinen nächsten Satz zu überlegen. So gelang es trotz der widrigen Umstände, zu denen auch ein leichter Nieselregen gehörte, eine kleine Schar von Zuhörern zu unterhalten. In den von Josef organisierten Symposien, die ab 1987 während der Festivals stattfanden, hatten Fachleute aus verschiedenen Ländern Gelegenheit, über ihre Kenntnisse und Forschungen zur Konstruktion, zur Volkskunde, zur Geschichte und über andere Themen rund um den Dudelsack zu berichten. Die meisten Vorträge wurden ins Tschechische übersetzt. Es war Gelegenheit, Fragen zu stellen und zu diskutieren. Hier habe ich verschiedene Leute kennen gelernt, die heute noch zu meinen Freunden zählen. Ab 1998 hatte das Festkomitee kein Interesse mehr an der Finanzierung der Symposien.

Josefs Überzeugungen entsprachen nicht immer denen der politischen Machthaber. Unter anderem war es eine für ihn wichtige Angelegenheit, in einer Schule Religionsunterricht zu geben. Das war wohl einer der Gründe, warum er nicht ins westliche Ausland reisen durfte. Eines Tages war es dann so weit, dass ihm, dem Gründer und jahrelangen Organisator der internationalen Festivals die Leitung entzogen wurde. Ich kenne nicht die Hintergründe und die Vorgeschichte, entsinne mich aber sehr genau an eine zugleich tragische und komische Situation. Im großen Saal des Kulturhauses von Strakonice fand der feierliche Abschlussabend des Festivals statt. Parteifunktionäre hielten mehrere Reden auf Tschechisch, das von der Mehrzahl der anwesenden ausländischen Teilnehmer gar nicht verstanden wurde. Darum war es im Saal sehr unruhig. Die Teilnehmer trafen ja auf alte Freunde oder lernten neue kennen. Dann trat eine Band auf, die von den neuen Organisatoren ausgesucht war. Die jungen Männer hatten anscheinend keine Ahnung, dass im Saal hunderte von Festivalteilnehmern saßen, die alle bessere Musiker waren als sie selber. Als sie eine Pause machten, kamen ungeplant drei Teilnehmer vor die Bühne und spielten sehr flotte Volksweisen ihrer Heimat. Ich glaube, es waren Bulgaren. Die Burschen der modernen Band staunten und umlagerten die Spieler. Als dann aus dem Saal eine Gruppe von Bretonen mit ihren Dudelsäcken und Bombarden auf die Bühne kam, zog sich die Band unauffällig zurück. Anschließend spielte eine Gruppe nach der anderen. Die Leitung des Abends war den Organisatoren völlig entglitten. Die Stimmung im Saal wurde nun großartig, und der Abend dauerte sehr lange. Josef hatte sich nicht in den Saal gesetzt; er gehörte ja nicht mehr dazu. Aber er saß in dem anschließenden Restaurant. Von dort konnte er alles hören, was im Saal geschah. Er schüttelte lächelnd den Kopf, wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Immer wieder setzten sich alte Freunde zu ihm an den Tisch, klopften ihm auf die Schulter, stießen mit ihm an.

 

Josefs Tod kam nicht überraschend, war seine Gesundheit doch schon seit Längerem angeschlagen. Nachdem er wieder im Festkomitee mitarbeiten durfte, zog er sich doch von den Aufgaben dort weitgehend zurück. Aber er war immer der umjubelte Gast auf den Festivals und wurde 2010 auf der Bühne vor dem vollbesetzten Burghof geehrt.

 

Fritz Schneider mai 2013

 

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